Text und Foto: Katja Schmidtke
Neulinge blicken zurück auf die ersten Wochen

Da stehen wir also. Im Urwald. Mitten in der Stadt.
Wir hören die Hunde im nahen Tierheim bellen, wir hören das Rauschen der Autos, irgendwo dudelt ein Radio und der Duft von Grillwürstchen liegt in der Luft. Aber wir sehen nichts. Nur Grün. Und einige Farbtupfer von roten Rosen, lila Lavendel, tiefschwarzen Jostabeeren. Willkommen im Kleingarten.
Am 28. Juli haben wir eine Parzelle im Hallenser Paulusviertel übernommen. Alles ging viel schneller als gedacht. Als wir Anfang Juli unsere Anfrage per Mail an den Vorsitzenden schickten, dachten wir, nicht in 100 Jahren hier einen Garten pachten zu können. Immerhin ist das Paulusviertel voller junger Familien.
„Geringer Pflegerückstand“ stand im Übergabeprotokoll. Wir schmunzeln inzwischen so manches Mal über diese Formulierung. Geringer Pflegerückstand, das hieß: Jahrelang ungeschnittene Obstbäume, Beerensträucher und Rosen, ein Rasen, aus dem Laubbäumchen sprießen, ein halb zugeschüttetes Teichloch, bröckelnde Terrassensteine. Wir schreiben eine To-Do-Liste und fangen an.
Sogar unsere fast dreijährige Tochter ist hochmotiviert. Während wir Unkraut jäten, vertrocknete Buchsbäume aus der Erde ziehen und marode Geländer abreißen, buddelt und muddelt sie so vor sich hin. So haben wir uns das vorgestellt. Und abends gibt’s Würstchen vom Grill. Die haben nie, nie besser geschmeckt!
Die Ernüchterung kommt schon einen Tag später. Am Geräteschuppen (den wir ohnehin abtragen wollen und müssen) steht eine Wasserlache. Irgendwo ist eine Leitung defekt. Wir rätseln und graben, denn Aufzeichnungen oder Baupläne gibt es natürlich nicht.
Auf der Suche nach der defekten Leitung finden wir eine Klärgrube – und noch eine und noch eine. Eine professionelle Drei-Kammer-Anlage im Kleingarten, Respekt! Nur die Stelle, an der das kaputte Wasserrohr in die Hauptleitung mündet, die finden wir nicht. Noch nicht – einen Monat später ist es so weit. Als wir einen Graben zur Beetbegrenzung schachten wollen, stoßen wir auf sie!
Zuweilen fühlen wir uns wie auf Expedition: Im Schnellkomposter finden wir ein Hummelvolk, nach einem Regenschauer ist alles voller Schnecken, aus den Beeten ziehen wir Möhren vom letzten Jahr, in der Laube wohnen Ameisen und beim Öffnen der Zwischendecke (ein nahezu unscheinbarer Fleck gab den Hinweis) stoßen wir auf schimmlige Gipskartonplatten, Wasser rinnt. Nun also noch ein neues Dach.
Unser Kleingarten mutiert zur Großbaustelle. Wenn wir nach Hause kommen von den Arbeitseinsätzen sind wir schwarz wie die Raben – und glücklich. Wir haben den Tag im Freien verbracht, mit unseren Händen und dennoch nicht kopflos gearbeitet und sind ein kleines Stück weiter gekommen. Der Apfelkuchen aus den roten Früchten, die unsere Tochter vom Spalier pflückte, war köstlich. Wir freuen uns schon auf die Erdbeeren und Himbeeren, den Kohlrabi und den Mangold, den sie im nächsten Jahr ernten wird!